Das Bräustüberl

Die Konzession für das Bräustüberl existiert seit dem Jahr 1877. Im Jahr 1927 kaufte die Paulaner Brauerei das Schlossgut mit all seinen Gütern und Besitzen. Die Konzession für das Bräustüberl wurde auf unbestimmte Zeit verlängert.

Während des 2.Weltkrieges wurde das Bräustüberl, wie auch der Gasthof Held (später Gasthof Wallner) sowie der Gasthof Soyer (jetzt das Anwesen der Fam. Stürzer) als politische Informationszentrale benutzt. Nach dem 2. Weltkrieg war das Bräustüberl zentraler Treffpunkt für Jung und Alt und von allen Bevölkerungsschichten. Durch die Aufnahme der ca. 500 Flüchtlinge und Heimatvertriebenen hat sich auch die Dorfkultur mit Brauchtum verändert bzw. vermischt. Die zentrale Lage der Dorfwirtschaft mit dem großen Schlossinnenhof, der als Wendeplatz und Haltestelle für den Postbus diente (dem einzigen, öffentlichen Verkehrsmittel von und nach München)  und die Nähe zur Kirche und Schule waren für das gesellschaftliche Leben jeglicher Art prädestiniert.

Wo sich jetzt die Küche, der Ausschank und der Toilettentrakt des derzeitigen Restaurants Cristalina befindet, war in etwa der Gastraum des Bräustüberls. Er konnte sowohl von der Schloßstraße als auch vom Innenhof betreten werden. Der Gastraum war getrennt durch eine Holz-Glas-Wand (später Schiebetüre) und somit unterteilt in den Hauptraum und ein Nebenzimmer. Das Nebenzimmer war auch die Heimat des 1954 wieder aktivierten Schützenvereins Frohsinn Egmating. Darin befanden sich zwei mobile Schießstände mit manuellem Seilzug, die nach jedem Schießabend wieder abgebaut wurden.

Das Nebenzimmer diente auch als Treffpunkt für die junge Generation. Mit Musikbox und „Kicker- Kasten“ ausgestattet war es eine sehr beliebte Anlaufstelle im Ort.

In der Gaststube traf sich die „ältere Generation“. Egal ob Bauer, Arbeiter, Handwerker, Unternehmer oder Rentner, für alle war es ein gleichberechtigter Platz zum „ratsch’n“ oder diskutieren. Da kam es schon mal vor, dass hitzige Wortgefechte mit den Fäusten beendet wurden, um kurze Zeit später sich wieder bei „oana Maß Bier oder mehr“ versöhnen zu können. Bei spontanen Musikeinlagen mit da „Ziach“, der Gitarre oder sogar von Blasinstrumenten hat sich so mancher fröhlicher Abend bis in die frühen Morgenstunden des nächsten Tages hingezogen. 

Ein langer Stammtisch war der erklärte Platz für Kartler und „Hockableiber“. Für viele Egmatinger war es im Laufe des Lebens ein zweites Zuhause. In den 1950er und -60er Jahren ist, initiiert  vom Kath. Bildungswerk, mehrmals aus dem Gastraum ein Kinosaal  geworden. Auf großer Leinwand wurden Filme wie Ben Hur, die Zehn Gebote usw. gezeigt. Selbst die Fußball-WM 1958 konnte mit einem der ersten Schwarz-Weiß Fernseher in Egmating, bereitgestellt durch den legendären Kirschbauer Pauli, im Bräustüberl verfolgt werden.

Durch die zentrale Lage gegenüber der Kirche, war es fast Pflicht, nach dem Kirchgang am Sonntag zum Frühschoppen einzukehren. Auch wer vom Berufsalltag abschalten wollte, ging nach getaner Arbeit in`s Bräustüberl. Es war, meist ohne Ruhetag, immer geöffnet. 

Egal ob Beerdigung oder Hochzeit, auch hier war das Bräustüberl aufgrund der Nähe zur Kirche, oft die erste Adresse für den „Leichenschmaus“ oder, in Verbindung mit dem Brauereisaal, eine ideale Lokalität für Hochzeiten. 

Das Bräustüberl war auch Anlaufstelle für die ortsansässigen Vereine. Hier wurden Termine für Veranstaltungen abgestimmt und die Dorfgemeinschaft gepflegt. Leider hat sich dieses „wertvolle Gut“ für unser Dorf im Laufe der Zeit immer mehr verflüchtigt. Die meisten Vereine oder Institutionen haben zwischenzeitlich selbst ein Vereinsheim oder einen Aufenthaltsraum mit Verköstigung. Die sprichwörtliche, traditionelle Wirtshauskultur mit den sozialen Komponenten wie Gemeinschaft, Zusammenhalt und Verantwortung  übernehmen, wie es sie im Bräustüberl gelebt und praktiziert wurde, ist damit leider auf der Strecke geblieben.

Ende der 1990er Jahre wurde der Südteil des Schlosses inklusive Wohnungen und dem legendären Bräustüberl (Wirtsleute ab 1950: Ott H., Weiler, Söllner, Scherer, Kirschbauer A.) komplett saniert und aus dem Bräustüberl wurde ein Restaurant, zugehörig zum Golfclub. Die Ära „Bräustüberl“ war Geschichte.